Rettungsgasse bilden auf Autobahnen ist ganz einfach

Warten, warten, warten: Wenn es sich auf der Autobahn mal wieder staut, kann man einfach nichts tun – denken viele Autofahrer. Und vergessen dabei regelmäßig eines: Rettungsgasse bilden.

Seien wir mal ehrlich: Ein wenig veräppelt kommt man sich ja schon vor, wenn man im Stau auf der Autobahn brav (je nach Fahrbahn nach links oder rechts) zur Seite fährt, um seinen Teil zu einer Rettungsgasse beizutragen – und der Hintermann dann versucht, die Situation zum Überholen zu nutzen. Ist das nun reine Hirnlosigkeit, pures Kalkül oder einfach Ahnungslosigkeit? Wer weiß… Hätte er gerade einen Radiosender mit Verkehrsfunk gehört, hätte er vielleicht anders gehandelt. Die Aufforderung der Moderatoren, nämlich eine „Rettungsgasse bilden“, ist seit einiger Zeit ja durchaus präsent.

Rettungsgasse bilden: Impulse aus Österreich im Sommer 2016

Dass man in Verkehrsnachrichten seit Sommer 2016 häufiger auf die Rettungsgasse hinweist, haben wir sicherlich unseren Nachbarn in Österreich mit zu verdanken. „Da gab es eine groß angelegte Aufklärungskampagne, und viele deutsche Urlauber haben das mit nach Hause gebracht und angeregt, dies auch bei uns zu übernehmen“, erinnert sich Uwe Platzek, Leiter des WDR-Verkehrsstudios. Aber: „Vielen war bis dahin gar nicht aufgefallen, dass wir Hinweise auf Rettungsgassen schon seit Jahren hatten“, so Platzek – zum Beispiel bei unfallbedingten Sperrungen oder „wenn uns Rettungskräfte darauf hingewiesen hatten“.

Je nach Bundesland und Radiosender ist die Rettungsgasse seitdem deutlich präsenter im Radio. „Manchen Hörern ist das auch sehr wichtig und so manche andere Verkehrsthemen auch“, sagt Uwe Platzek. Eine lange Wunschliste von Hörern zeugt von deren Anliegen – vom Licht einschalten und dem Schnee, der vom Autodach geräumt werden soll, über richtiges Einfädeln, Warnblinklicht in Baustellen bis zu herunter geklappten Sonnenblenden. „Selbst wenn wir mal nur die relevanten Themen dabei betrachten: Wir können doch nicht ständig auf Dinge hinweisen, die in der Straßenverkehrsordnung stehen und die jeder Autofahrer wissen muss“, sagt Platzek.

Rettungsgasse bilden klappt nicht? Gedankenlosigkeit und viele Lastwagen

Ja, eigentlich müsste jeder, der einen Führerschein besitzt, das Thema Rettungsgasse bilden in- und auswendig kennen: Wer auf der Spur ganz links fährt, fährt an den linken Rand, diejenigen auf der Spur rechts daneben fahren an den rechten Rand der Spur. Eine Rettungsgasse bilden ist ziemlich einfach. „Die Regel ist eigentlich sehr leicht verständlich“, sagt Hartmut Ziebs, Präsident vom Deutschen Feuerwehrverband. Dass sie häufig nicht beachtet werde, liege wohl an Gedankenlosigkeit. „Ein fast größeres Problem sind dabei die vielen LKW“, so Ziebs.

Gerade bei dreispurigen Autobahnen sei es bei beginnendem Stau an der Tagesordnung, dass Lastwagen von der rechten auf die mittlere Spur ziehen, um noch ein paar Meter mehr zu machen. „Wenn der Verkehr dann steht, geht meist nichts mehr. Schon ein breiter LKW auf der mittleren Spur kann ausreichen, dass die Rettungsgasse nicht mehr funktioniert“, so der Verbands-Präsident. Und selbst wenn es bei dem Unfall, der für den Stau sorgt, gerade nicht um Leben und Tod gehe, sei eine verstopfte Rettungsgasse ein Problem für alle, die im Stau stehen: „Der Stau kann erst aufgelöst werden, wenn auch der Abschleppwagen durch ist. Und der kommt erst nach uns und der Polizei.“

Saftiges Bußgeld und ein Monat Fahrverbot möglich

Bis Oktober 2017 mussten sich Autofahrer, die keine Rettungsgasse gebildet haben, in Deutschland auf ein Verwarnungsgeld von 20 Euro einstellen. Seit gut einem Jahr ist das deutlich heftiger: Wird ab Schrittgeschwindigkeit keine Rettungsgasse gebildet, ist das eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von 200 Euro plus 2 Punkten in Flensburg bis zu 320 Euro plus einem Monat Fahrverbot reichen kann, wenn auch noch Sachbeschädigung vorliegt. Vergleichsweise moderate Sanktionen übrigens, wenn man nach Österreich schaut: Wer dort keine Rettungsgasse bildet, kann mit bis zu 2180 Euro belangt werden, wenn er dadurch Einsatzfahrzeuge behindert. Merkt doch eh keiner? Von wegen: In Österreich sind die Autobahnen videoüberwacht.

„Nicht erst dann eine Rettungsgasse bilden, wenn ich hinten Blaulicht sehe, sondern bereits dann, wenn der Verkehr stockt, das wäre natürlich hilfreich für Einsatzkräfte und für alle, die im Stau stehen“, sagt Michael Schreckenberg, Verkehrsforscher an der Universität Duisburg-Essen. Für ihn ein ausgesprochenes Zukunftsthema: „Wir werden in den nächsten zehn bis 15 Jahren eine drastische Verschärfung der Situation auf Autobahnen haben“, so Schreckenberg. Die einfache Rechnung: immer mehr LKW plus immer mehr Baustellen (gerade an maroden Brücken) gleich immer mehr Staus. Und somit immer häufiger Rettungsgassen, die wir Autofahrer bilden müssen. Im Sinne derer, die da vorne Hilfe benötigen, die da vorne hin müssen und die dahinter stehen: Einfach machen!

Dieser Beitrag ist ursprünglich bei ZDF online / heute.de erschienen. Autor: Christian Thomann-Busse