Gesundheit ist ein Menschenrecht: Mit diesem Anspruch ist die Weltgesundheitsorganisation WHO als Teil der Vereinten Nationen vor 70 Jahren gegründet worden.
Als die Weltgesundheitsorganisation WHO am 7. April 1948 ins Rennen geschickt wurde, mehr Gesundheit auf der Welt zu schaffen, stand man vor einem globalen Trümmerfeld. Und dies nicht nur wegen der schwerwiegenden Folgen des Zweiten Weltkriegs: Es waren Krankheiten, die große Teile der Menschheit bedrohten. Malaria, Tuberkulose, sexuell übertragbare Krankheiten sowie mehr Gesundheit von Mutter und Kind, die Ernährungssituation und die hygienischen Verhältnisse standen deshalb auf der Agenda der ersten Jahreshauptversammlung der WHO im Juni 1948.
Erste Erfolge für die WHO durch Penicillin
53 Abgesandte aus 55 Mitgliedsstaaten kamen damals zusammen, „größtenteils Länder der industrialisierten Welt“, heißt es in einem Bericht der WHO aus dem Jahr 1995. Was folgte, waren Massenkampagnen über die 1950er und 1960er Jahre, die vor allem die Bekämpfung von Tuberkulose, Malaria, Frambiöse, Syphilis, Masern und Lepra zum Ziel hatten.
Die Anfangserfolge konnten sich sehen lassen: So wurden zum Beispiel bis 1965 in 49 Ländern insgesamt 46 Millionen Menschen behandelt, die sich mit der Tropenkrankheit Frambiöse infiziert hatten. Eine einzige Penizillin-Spritze reichte aus, um sie zu heilen.
Allerdings stellte sich in dieser Zeit heraus, dass Massenkampagnen zur Behandlung von Krankheiten sowie Impfprogramme nach immer gleichem Schema kein Allheilmittel darstellen konnten. Gerade dann, wenn sie die eigentlich betroffene Bevölkerung in abgelegenen Gebieten nicht erreichen konnte. Für die WHO war dies der Anfang, gezielte Programme für einzelne Regionen zu starten.
In den 1970er Jahre strebt die WHO eine Basis-Grundversorgung an
Auf der Konferenz in Alma Ata im Jahr 1978 hat die WHO den Gesundheitsbegriff deutlich erweitert. Die Basis-Grundversorgung rückte in den Fokus. Eine Reaktion der WHO darauf, dass auch in den 1970er Jahren mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung hatte.
Zusätzlich zur Immunisierung gegen die Hauptinfektionskrankheiten und Vorbeugung gegen örtlich auftretende Erkrankungen kamen Punkte hinzu, die auch heute noch unser Verständnis von Gesundheit prägen. Die Grundversorgung mit elementaren Medikamenten ebenso wie eine Verbesserung der Lebensmittelversorgung und ausgewogene Ernährung, sauberes Trinkwasser, sanitäre Anlagen oder auch Familienplanung.
Und heute? „Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000“ lautete das Ziel der WHO im Jahr 1995. Das ist, wie man heute sieht, ganz sicher nicht erreicht. Manche Eckpunkte hingegen können sich schon sehen lassen: die Ausrottung der Pocken beispielsweise sowie die Begrenzung von Polio auf ein Minimum. „Seit 1988 sind Polio-Erkrankungen um mehr als 99 Prozent zurückgegangen“, so das aktuelle Update der WHO.
In Zahlen: von 350.000 auf gerade einmal 22 im Jahr 2017. Erkrankungen gab es zuletzt nur noch in Afghanistan, Pakistan und Nigeria. Für die WHO mit ihren inzwischen 194 Mitgliedsstaaten kein Grund zur Entwarnung. Ziel ist weiterhin die Ausrottung von Polio, denn „das Polivirus lässt sich leicht in andere Länder importieren“, hunderttausende Infektionen könnten die Folge sein.
Handy-Spielsucht heute auf der Agenda der WHO
Während auf der einen Seite so manche Erkrankung, die noch vor 70 Jahren Massen von Menschen dahingerafft hat, auf dem Rückzug oder ausgerottet ist, auf der anderen Seite viele Baustellen der weltweiten Gesundheitsversorgung noch lange nicht beendet sind, geraten auch neue Probleme ins Blickfeld. Computer- und Handyspielsucht als globales Problem zum Beispiel. Mitte des Jahres 2018 wird die WHO ihre 11. Ausgabe der gelisteten Krankheiten herausgeben – und Handyspielsucht wird voraussichtlich dazugehören. Dagegen hilft allerdings keine Impfung.
Wo hat die WHO ihren Sitz?
Hauptsitz der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Genf. Insgesamt sechs Regionalbüros haben ihren Sitz auf der ganzen Welt: in Brazzaville (Region Afrika), Kairo (Region Östliches Mittelmeer), Kopenhagen (Region Europa), Manila (Region Westlicher Pazifik), Neu-Delhi (Region Südostasien) und Washington (Region Amerika).
Mehr als 7000 Menschen arbeiten weltweit für die WHO in 150 Länderbüros. Als Teil der Vereinten Nationen arbeitet die Weltgesundheitsorganisation eng mit anderen UN-Einrichtungen zusammen. Unterstützt wird die WHO nach eigenen Angaben außerdem von mehr als 700 Organisationen.
Die sechs Prioritäten der WHO
- Das Vorantreiben genereller Gesundheitsversorgung. Alle Menschen in allen Ländern sollen Zugang zu der gesundheitlichen Versorgung haben, die sie benötigen.
- Die Entwicklung gesundheitsbezogener Ziele weltweit. Immer wieder angepasste sowie neu entwickelte Strategien sollen bessere gesundheitliche Ziele für Mütter und Kinder erreichen, den Kampf gegen HIV, Malaria und Tuberkulose fortsetzen sowie die endgültige Ausrottung von Polio und weiteren tropischen Krankheiten vorantreiben.
- Nicht ansteckende Krankheiten vermeiden. Im Sinn einer allgemeinen Gesundheitsvorsoge will die WHO die Aufklärung über die Risiken durch Tabak- und Alkoholkonsum, zu wenig Bewegung und gesundheitsgefährdende Diäten vorantreiben. Im Blick ist dabei ebenso die psychische Gesundheit.
- Hilfe bei Katastrophen. Im Fall von Epidemien oder anderen Gesundheitsnotständen steht die WHO Ländern zur Seite, die solche Ausnahmezustände nicht alleine bewältigen können.
- Zugang zu Medikamenten für alle. Die WHO setzt sich dafür ein, dass Menschen global Zugang zu sicheren und erschwinglichen Medikamenten haben.
- Umwelt und Lebensbedingungen. Klimawandel, Lebensmittel, Zugang zu Trinkwasser und sanitären Anlagen oder auch Mobilitätskonzepte: Solche Aspekte sind für die WHO ebenfalls wichtig bei der Erarbeitung von Gesundheitsprogrammen.
Spenden in der Kritik
Die WHO finanziert sich lediglich zu einem Viertel aus Beiträgen ihrer 194 Mitgliedsstaaten. Der Rest sind Spenden, und diese Zuwendungen stehen verstärkt in der Kritik. So ist in der Vergangenheit immer wieder diskutiert worden, inwieweit Spenden von beispielsweise Pharmakonzernen bestimmte Entscheidungen der WHO beeinflussen. Eine „angemessene Antwort auf die großen gesundheitlichen Herausforderungen wie globale Epidemien oder die wachsende Resistenz gegen Antibiotika“ sei so nicht möglich, kritisiert die Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international.
Ebenfalls in der Kritik steht das große finanzielle Engagement der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung. Mit zuletzt rund 630 Millionen US-Dollar hat die Stiftung 14 Prozent des WHO-Gesamthaushalts finanziert. Vergangenes Jahr hatten 30 internationale Oganisationen diese meist projektgebundenen Zuwendungen kritisiert: „Man setzt bevorzugt auf technische Lösungen. Soziale Faktoren für Gesundheit wie Ungleichheit, fehlende politische Teilhabe und Menschenrechte werden weitgehend ausgeblendet.“
Die größten Erfolge und die Baustellen
Dass die Pocken seit 1979 dank weltweiter Impfpflicht ausgerottet sind, ist sicherlich ein großes Verdienst der WHO. Zur Erinnerung: Zwischen 1800 und 1900 waren daran noch rund 300 Millionen Menschen gestorben. Inzwischen gibt es Pockenviren nur noch in zwei Laboren in den USA und in Russland – zur Sicherheit, wie man sagt, um in Lage zu sein, schnell einen Impfstoff entwickeln zu können.
So gut wie ausgerottet ist Polio, auch Kinderlähmung genannt. Auch dies ist auf weltweites Impfen zurückzuführen. Größte Herausforderungen sind, so WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus, weiterhin der Kampf gegen Hepatitis, Tuberkulose, HIV und weitere sexuell übertragbare Krankheiten. Läuft alles nach Plan, sollen diese Krankheiten 2030 der Vergangenheit angehören.
Aber, so Tedros Adhanom Ghebreyesus: „Noch sind wir von diesem Ziel einer weltweiten Gesundheitsversorgung weit entfernt. Nach wie vor hat mindestens die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zu grundlegendsten Bausteinen.“