Ist die Mobilitätswende vorm Durchbruch?

Benziner oder Diesel? Wie man es auch dreht und wendet: Unser Mobilitätsverhalten schadet der Umwelt. „Wir werden schon bald neue Wege gehen und Experimente wagen“, sagt der Mobilitätsforscher Prof. Andreas Knie im Interview. Der Soziologe und Mobilitätsforscher ist Geschäftsführer des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) in Berlin. Ein Blick auf die Mobilitätswende.

Gerade erst lesen wir, dass die Deutschen ihre Finger vom Diesel lassen und lieber wieder Benziner anschaffen – und schon steigt der CO2-Ausstoß. Klingt das alles mittlerweile nicht irgendwie nach einem hilflosen Vergleich von Pest und Cholera?

Andreas Knie: Ob der Diesel jetzt tatsächlich weniger CO2 emittiert, ist gar nicht so sicher. Wir haben uns in der Vergangenheit von dem Gedanken leiten lassen, der Diesel sei besser für die Umwelt. Wir wussten nicht, dass Diesel-Emissionen wirklich kritisch sind. Und sie bleiben auch in Zukunft kritisch. Wenn wir unsere Umwelt retten wollen, dürfen wir nicht mehr nur fragen, welche Antriebstechnik verbaut wird. Gegen Pest und Cholera, um bei diesem Bild zu bleiben, gibt es nur ein Rezept: Wir müssen weniger Auto fahren.

Was ist mit Elektromobilität in der Mobilitätswende?

Knie: Sie ist zumindest ein erster Schritt. Der Vorteil von Elektromobilität ist, dass man beim Energieträger, mit dem der Strom erzeigt wird, flexibel ist und auch regenerative Energien einsetzen kann. Aber Elektrofahrzeuge alleine lösen ja auch nicht das Problem, dass wir zu viel Blech in unseren Städten haben. Deshalb müssen wir sowohl auf umweltfreundliche Antriebe umstellen und zusätzlich die Kilometer reduzieren, die die Menschen alleine in ihren Autos unterwegs sind. Statistisch sitzt derzeit lediglich fast nur ein Passagier im Auto – diesen Besetzungsgrad müssen wir dramatisch erhöhen. Und zusätzlich müssen wir die Menschen motivieren, mehr Wege mit Bussen und Bahnen, mit dem Fahrrad und zu Fuß zu erledigen.

„Lebenswandel geht den Menschen mehrheitlich auf den Geist“

Wer will das denn?

Knie: Mittlerweile sehen das große Teile der Bevölkerung so – und nicht nur in Großstädten. Ich war gerade erst 14 Tage in ländlichen Regionen unterwegs. Dort haben wir noch eine unglaubliche Fixierung aufs Auto und gleichzeitig zu den Stoßzeiten eine unglaubliche Menge an Staus. Dieser Lebenswandel geht den Menschen mehrheitlich auf den Geist. Wenn man das Auto jeden Tag als Verkehrsmittel nutzen muss und dabei regelmäßig mehr steht als fährt, dann sind die Menschen nicht mehr glücklich. Das ist die Chance, Alternativen zu diskutieren und lebbar zu machen.

Wer kann so etwas anstoßen?

Knie: Ein guter Weg dürfte es sein, dass man Räume schafft, in denen mal experimentiert wird. Wir brauchen keinen Verkehrsminister, der den Diesel verteidigt, sondern Kommunen, die bereit sind, den Wandel der Mobilität mit einzuleiten. Die sagen: ‚Schluss mit lustig!‘ Dann können wir gezielt testen, wie man alternative Antriebe, Sharing-Konzepte und digitale Plattformen zusammenbringt und eine neue Art der Mobilität schafft. 

Kommunen an Mobilitätswende interessiert

Gibt es auch nur eine Kommune, die bei so etwas mitmachen würde?

Knie: Es gibt sogar eine ganze Reihe, die interessiert sind. Kleine Kommunen im ländlichen Raum ebenso wie Großstädte, die Teile ihrer Gebiete speziell ausweisen würden. Gespräche dazu liefen bislang aber eher im Hintergrund. Die Politik ist da sehr vorsichtig, man möchte ja auch keine Wähler verprellen. Deshalb reden wir ja von Experimentierräumen, in denen dann auch die größten Skeptiker eingebunden sind – vom Taxifahrer bis zur Automobilindustrie.

Wann ist absehbar, dass solche Experimentierräume für eine Mobilitätswende eingerichtet werden?

Knie: Schon bald. Das Bundesverkehrsministerium startet gerade alle möglichen Aktivitäten, um Fahrverbote zu umgehen. Das Bundesforschungsministerium ist ebenfalls aktiv. Das Thema wird schon in den nächsten Wochen diskutiert. Und sobald sich die Bundesregierung sortiert hat, kommt das in die Gänge. Dann werden solche Experimentierräume kommen – aber auch dringend notwendige Änderungen zum Beispiel bei den Personenbeförderungsbestimmungen, um Mitfahrmöglichkeiten zu schaffen.

Nehmen wir an, dass das funktioniert. Ist die Mobilitätswende der Tod unserer Autohersteller?

Knie: Am Ende werden doch immer noch genug Fahrzeuge gebraucht. Wenn die deutsche Industrie jetzt zeigt, dass es anders geht und man Teil eines solchen Wandels ist, dann läuft ihr sogar die chinesische Industrie hinterher. Autos werden ja bleiben. Es geht ums Intelligente einbinden und Vernetzen aller Transportmöglichkeiten. Wir sind tatsächlich kurz davor. Jetzt brauchen wir nur noch einen Rückpass in die Abwehr.