Spiel ist nicht immer Spaß – und Glücksspiel endet häufig in der Sucht. Gerade das Glücksspiel in Online Casinos wächst rasant, jährlich um rund 15 Prozent. Heute geht es in der EU-Kommission darum, mehr Klarheit und Sicherheit für Verbraucher, insbesondere Minderjährige, zu gewährleisten, auf die Risiken des Online-Glückspiels hinzuweisen und Schutzmaßnahmen (wie die effektive Alterskontrolle, Registrierung und Identifizierung auf den Glücksspiel-Webseiten) zu garantieren.
Online Casinos: Auf einen Schlag 3000 Euro gewonnen
„Auf einen Schlag gewann ich 3000 Euro. Ab dann war auch mein restlicher Verstand völlig dahin. Wie im Wahn, ja wie vom Teufel besessen, spielte ich weiter und weiter, bis nichts mehr ging. Völlig traumatisiert saß ich vor dem PC und dachte mir, dass das jetzt alles nicht wahr sein kann, wie dämlich ich bin, wie bescheuert.“ Immer noch mehr gewinnen und Verluste möglichst schnell wieder ausgleichen: So wie Mario, der in einem Spielsucht-Forum über seine Zocker-Karriere in Online Casinos berichtet, geht es immer mehr Menschen. Mit denselben harten Karriereschritten: „Anstatt das Geld auszahlen zu lassen, habe ich immer weiter gespielt, bis alles futsch war. So begann der Spießrutenlauf mit Geld leihen, Dispo überziehen, die Menschen anlügen, die ich liebe und die mich lieben. Allen voran meine Mutter, denen ich immer wieder Lügengeschichten erzählen musste, um nochmal 100 Euro zu bekommen.“
Die meisten wetten online auf Sportereignisse
Für das Jahr 2015 wird in Europa beim Online-Glücksspiel mit jährlichen Einnahmen in einer Größenordnung von 13 Milliarden Euro gerechnet. 2011 lag die Summe noch bei 9,3 Milliarden. Poker, einarmige Banditen, Sportwetten und vieles mehr: Rund 6,8 Millionen Menschen nehmen an einer oder mehreren Arten von Online-Glücksspielen teil. Ganz vorne die Sportwetten. „Deren Anteil liegt ungefähr bei 90 Prozent“, sagt Verena Verhoeven von der Fachstelle Glücksspielsucht der Caritas. Und: Sportwetten haben ein hohes Suchtpotenzial. „Da vergehen oft nur Sekunden zwischen dem Einsatz und dem Gewinn beziehungsweise Verlust. Diese hohe Ereignisfrequenz macht es so gefährlich und suchtbildend.“ Gefährlich vor allem für junge Männer.
„Ältere Menschen gehen eher ins Casino oder in Spielhallen, jüngere zieht es zum Online-Glücksspiel. Und dieser Markt beginnt ja gerade erst, sich richtig zu entwickeln“, sagt Verena Verhoeven. Besonders gefährdet sind nach Erkenntnissen der Suchtberatung übrigens junge Migranten. Das Kulturcafé der Väter ist heute die Sportsbar. „Das ist eine Zeitgeisterscheinung und ein Versammlungsort für junge Migranten, auch weil es gerade in Ballungsräumen immer weniger Jugendclubs im geschützten Raum gibt. Da schaut man gemeinsam Sportereignisse und wettet gleichzeitig online.“
„Mehr Glücksspiele schaffen mehr Spielsüchtige“
„Wir setzen uns stark ein für eine stärkere Regulierung des Online-Glücksspiels, weil wir sagen, dass mehr Glücksspiele auch mehr Spielsüchtige schaffen“, sagt Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende des Fachverbands Glücksspielsucht. Heute könne jeder ganz schnell mit dem Handy ein Wettkonto eröffnen. „Natürlich haben wir hier auch Fälle von Minderjährigen, die mit der EC-Karte des Vaters spielen.“ Und schnell ist der Sprung die Spielsucht vollzogen. Wer sich – oft erst viele Jahre später und um viele Schulden reicher – helfen lassen möchte, hat ungefähr eine Zweidrittel-Chance, dass er einen Weg aus der Sucht findet.
Eine Sucht, an der die Betreiber von Online Casinos eine Menge Geld verdienen. In einem Markt, der schnell wächst, eine nahezu unübersichtliche Flut an immer neuen Anbietern bringt und sich in Deutschland rechtlich nach wie vor in einer Grauzone befindet. „Wer in Deutschland online pokert, bewegt sich in der Illegalität und kann theoretisch mit bis zu einem halben Jahr Gefängnis bestraft werden“, sagt Professor Tilman Becker, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Uni Hohenheim. Verfolgt wird das bislang nicht, aber auch sonst sei der Markt durchaus kriminell: „Man muss sich auf jeden Fall darüber im Klaren sein, dass man immer über den Tisch gezogen werden kann.“
Die Spielerberatung der Caritas ist im Internet unter www.spielsucht.net zu finden. Hilfe und Informationen erhalten Menschen mit problematischem Spielverhalten und deren Angehörige dort auch bei der telefonischen Hotline: 0800 0776611.
Dieser Beitrag ist im Juli 2014 bei ZDF online / heute.de erschienen. Autor: Christian Thomann-Busse